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Foto der Rügener Kreidefelsen Königsstuhl von der Viktoria-Sicht aus

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Auf Achse
16. Juli 2022

Caspar David Jasmund

Es ist wohl gemeinhin bekannt, dass sich die Welt leider nicht aufhört zu drehen, nur weil einem gerade der Sinn danach steht. Soll sie sich halt drehen, denke ich, und Andy schaut mich aus müden Augen heraus an, während wir lustlos auf dem grauen Sofa baumeln. Die Worte schweben in der Luft, keiner muss sie aussprechen: Wir. müssen. raus.

Feuer frei! — Wir tuckern nach Norden, gen Ostsee, einige Stunden später betreten wir den Eingang Hagen zum Rügener Nationalpark Jasmund. Das heutige Ziel: Naturwunder deutscher Märchenwald. Schon von hier aus riecht man die Meeresluft. Waschechte Touristen sind wir, leuchtend weiß eingecremt, mit einem Butterbrot im Rucksack, bestiefelt und die Sonnenbrille auf dem Scheitel - natürlich stehen wir mitten im Weg leicht ahnungslos vor dem Schild, dass uns die Wanderrouten durch den Park erklären möchte. Also los.

Wir betreten den Park, erwarten eigentlich nichts weiter als ein wenig naturnahen Zeitvertreib, doch es verschlägt uns die Sprache.

Sicht auf die Kreidefelsenküste auf Rügen, davor breitet sich ein großer Buchenbaum aus.Panorama-Aufnahme eines Mannes, der die Rügener Kreide-Küste betrachtet
Andy bewundert die Rügener Ostseeküste
"Kreidefelsen auf Rügen", Gemälde von Caspar David Friedrich von 1818
Kreidefelsen auf Rügen (Caspar David Friedrich, 1818) Quelle: Commons
"Wanderer über dem Nebelmeer", Gemälde von Caspar David Friedrich von 1818
Wanderer über dem Nebelmeer (Caspar David Friedrich, 1818) Quelle: Commons

Haushoch ragen die glatten graubraunen Stämme der Buchen über uns hinweg, in der obersten Etage wiegen sich die flüsternden Blätter sich im Küstenwind, während unter uns Sonnenlichter über den blätterbedeckten Boden tanzen. Sofort sind wir bis ins Innerste beruhigt. Dieses edle Panorama begleitet uns immer so fort, während wir unseren entspannten Wanderweg erkunden, bis wir das Meer erreichen. Wir befinden uns an der Viktoriasicht mit Blick auf den Königsstuhl. Wir betreten die zierliche, schwebende Aussichtsplattform und scherzen unbeschwert darüber, ob unser Sturz wohl bemerkt würde, während unter uns die Wellen fortwährend an die schroffen Felsen poltern.

Hier existiert eine Landschaft, die so romantisch ist, als wäre sie geradewegs einem Caspar David Friedrich entsprungen. Tatsächlich war es anders herum: Friedrichs ausgiebige Wanderungen über die Insel Rügen brachten ein Landschaftswerk hervor, das unserer Sicht gleicht. Augenblicklich sind auch wir hingerissen von dieser Welt aus blauen, weißen, grünen Tupfern inmitten all der steilen Schluchten über der flachgestreckten Küste. Ebenso wie wir muss es einst auch Tourist Friedrich getan haben, muss diese Felsen bestaunt haben wie wir gerade, vielleicht stand er ja sogar genau hier an diesem Fleck?